100 Jahre - und das Feuer brennt noch immer

Raimund Baumschlager und Thomas Zeltner knacken „Schallmauer“
Der Chauffeur ist 48 und sein Kopilot wird am Samstag, dem 28. Juni, 52 Jahre alt – zusammen ergibt das 100 Jahre. Eine Alterskombination, die man bei Oldtimer Rennen erwarten würde, bei denen es nicht mehr um Schnelligkeit geht, sondern auf Gleichmäßigkeit Wert gelegt wird. Kurios an der Sache aber ist, dass Raimund Baumschlager und sein Kopilot Thomas Zeltner die österreichische Rallyemeisterschaft dominieren und den jungen Löwen noch immer den Auspuff zeigen.

„Das einzige, was uns den Schnitt zusammen haut, ist das Auto“, scherzt Zeltner, der mit Baumschlager an seinem Geburtstag am Samstag bei der Weiz Rallye, einem Lauf zur Austrian Rallye Challenge, mit einem funkelnagelneuen Mitsubishi Evo X als Vorausauto eine Österreich-Premiere geplant hatten. Fehlende Teile machten den beiden einen Strich durch die Rechnung.

100 Jahre im Rallyesport ist eine unglaubliche Zahl. Und die Erfolge der beiden fast ebenso. Alter vor Schönheit: Thomas Zeltner stieg als Kopilot 1984 in die Szene ein, feierte ein Jahr später in Hartberg mit Heinz Klausner in einem Lancia 037 seinen ersten Rallyesieg und brachte es auf vier Meistertitel: 1986 und 1987 mit Georg Fischer in einem Audi Coupe und 2005 und 2007 mit Raimund Baumschlager im BRR Mitsubishi Evo V und dem Evo IX.

Baumschlager fuhr 1982 seine erste Rallye, legte nach einem frühen Crash eine schöpferische Pause ein und kam 1984 zurück. 1986 bei der Sprintrallye in Zeltweg holte er auf einem Manta 400 seinen ersten Gesamtsieg und brachte es bisher auf sechs Meistertitel: 1993 mit Klaus Wicha auf einem Ford Cosworth, 2003 mit Stefan Eichhorner, 2004 mit Wicha, 2005 mit Zeltner auf dem Evo V, 2006 mit Bernhard Ettel (Evo VIII) und 2007 mit Zeltner auf einem BRR Mitsubishi Evo IX. In der laufenden Meisterschaft liegen Baumschlager/Zeltner nach vier Läufen - drei Siegen und einem zweiten Platz - mit einem Vorsprung von 26 Punkten wieder auf Meisterkurs.

Was macht die Überlegenheit der „alten Männer“ aus?
„Sicher die Erfahrung von Raimund, der trotz seiner 48 Jahre die Freude am Auto fahren nicht verloren hat und der noch immer bereit ist, ein gewisses Risiko zu nehmen. Dazu kommt die reiche Erfahrung bei der Fahrwerksentwicklung und Abstimmung. Da holt er noch entscheidende Zehntel trotz seines `schweren` Beifahrers“, nimmt sich Zeltner selbst auf die Schaufel. Auch dafür, dass Baumschlager im Rallyesport eine Ausnahmekönner ist, hat EDV-Spezialist „Major Tom“ eine schlüssige Erklärung: „Raimund nimmt seinen Sport sehr ernst, ist ehrgeizig, aber nicht verbissen, dass er sich selbst im Weg steht. Er denkt `25 Stunden` am Tag über seinen Sport nach und das hat er mit der Weltspitze gemeinsam.“
Und Zeltner vergleicht Baumschlager mit seinen wichtigsten Chauffeuren: Georg Fischer war ein großes Talent, aber er ist nicht bis zum letzten gegangen, hat sich mit dem zufrieden gegeben, was er `derfahren` hat. Franz Wittmann hat immer geschaut, das Material zu optimieren, war mit seinen Topautos immer auf dem letzten Stand. Raimund geht über das noch einen Schritt hinaus, versucht immer weiter zu entwickeln.“

Zeltner, der erst spät bei Baumschlager einstieg, nennt auch den Grund dafür: Spaß. Jenen Spaß, den Baumschlager nach seinem `Ford-Abenteuer` verloren zu haben schien und den er bei der Jänner-Rallye in einem älteren Gruppe-A-Mitsubishi wieder fand, als er sich mit Franz Wittmann im Toyota Corolla WRC ein Duell auf Biegen und Brechen geliefert hatte und das Wittmann erst auf den letzten Kilometern für sich entscheiden konnte.

„Die Chemie im Auto hat von Anfang an gestimmt, es hat nie Geheimnisse zwischen ihm und mir gegeben. Raimund weiß auch die Arbeit des Beifahrers außerhalb des Autos zu schätzen und das gibt zusätzlich Vertrauen.“ Auch in den „big moments“, bei denen es um „Sein oder Nichtsein“ auf der Straße geht: „Nach einem Abflug ist Raimund mehr fertig als ich.“ Und es wäre nicht Thomas Zeltner, wenn er nicht ergänzte „Das, was ich mit Raimund in einer Saison an Uiuiui-Erlebnissen habe, hatte ich mit vielen anderen Fahrern in nur einem Lauf.“ Zum Beispiel mit seinem Bruder Ruben, der auf dem Beifahrersitz bei Baumschlagers vielleicht größtem Erfolg saß, beim WM-Lauf 1990 auf Korsika, wo Baumschlager mit dem VW Golf GTI 16V in der Weltspitze mitmischte und mit Platz 5 die Fachwelt in Erstaunen setzte. Thomas Zeltner: „Mit Raimund zu fahren, macht Spaß, er ist auch noch jetzt fast auf Korsika-Level.“

25 Gesamtsiege – über den Daumen gepeilt - hat Zeltner mit seinen Chauffeuren in seinen 24 Rallye-Jahren erreicht (dazu drei 4. Plätze in WM-Läufen und einen 2. Rang bei der Himalaya Rallye). Ihnen stehen 40 von Baumschlager (ein 8./San Remo, 5./Korsika und 6./Safari bei WM –Läufen und ein 24-Stunden-Weltrekord) gegenüber, im gleichen Zeitraum.

Wie sieht Baumschlager sein „altes“ Schlachtross?
„Bei Thomas ist nach wie vor das Feuer da, das manchen Jungen fehlt, es geht ihm ums Rallye fahren und nicht ums Geld verdienen. Er ist gewissenhaft und macht einen guten Job, nicht nur als Beifahrer auf der Sonderprüfung, da ist er sehr gut, macht keine Fehler. Das war für mich auch die Grundvoraussetzung mit ihm zu fahren. Dazu unterstützt er mich auch rundherum. Er ist einfach ein Perfektionist. Was er als stressgeplagter EDV-Chef für Osteuropa von Metro so nebenbei an essentiellen Sachen für die jeweilige Rallye (wie Servicepläne etc.) leistet, ist sensationell.“

Perfektionist ich auch Baumschlager: „Ich versuche bei jeder Rallye perfekt zu fahren, keine Fehler zu machen. Es `scheppert` bei uns ja immer g`scheit, wenn ein Fehler passiert. Während bei mir sofort die Ursachenforschung im Kopf beginnt, hat Thomas auch in den `beschissensten` Situationen einen guten Sager drauf. Unrund wird er nur, wenn wir nicht vorne dabei sind, wie bei der heurigen Bosch Rallye, als wir auf dem Rohrbacher Rundkurs bei strömenden Regen nach Aquaplaning fast im Bahnhofsgebäude gelandet sind und ich daraufhin abdrehte, nur um ins Ziel zu kommen. Da war es mit `lustig` vorbei.
Oder wenn wir den Konkurrenten in den leichteren, aber zumindest gleichstarken S2000-Autos hinterherfahren. Ich weiß, was das Material hergibt, Thomas will es nicht wahrhaben. Ansonsten amüsieren wir uns schon sehr, wenn wir zu einer Rallye, die Freitagmittag oder am Nachmittag beginnt, Mittwoch abends oder Donnerstag früh anreisen und zwei- oder dreimal über die Prüfungen drüber fahren und dann auf die `Trainierer` treffen, die schon länger da `wohnen`.
Eines weiß Baumschlager aber auch, dass sein Kopilot ein „Steher der alten Schule“ nicht nur im Auto ist. „Irgendwie tut es mir immer leid, dass wir nach einer erfolgreichen Veranstaltung schnell packen und nach der Siegerehrung gleich heimfahren, um den Sonntag mit der Familie zu verbringen. Das stört ihn schon sehr.“

Und wie sehen sich Zeltner und Baumschlager, die als „Hunderter“ Rallyegeschichte in Österreich schreiben:

Zeltner, Nummer 13 von Baumschlagers Beifahrern „Ich kann immer noch schneller ansagen, als der Loeb fahren kann.“

Baumschlager: „Der Stig Blomqvist hat mich 2003, als er 58 Jahre alt war, in der Krieau beim Auftakt zur OM Rallye in der Buckligen Welt im direkten Duell gebügelt, er ist mein Vorbild. Ich bin jetzt 48. Also kann sich jeder ausrechnen wie lang ich noch fahr. Voraussetzung ist allerdings, dass ich gesund bin und ich mir meinen Sport leisten kann. Ein finanzielles Risiko gehe ich sicher nicht ein. Ich hoffe, dass ich noch lange mit Thomas fahren kann.“

Wenn das auch bei der großen Belastung Baumschlagers durch seine Firma BRR, Sport und Testarbeit für einen Weltkonzern und Zeltners Stressjob bei der Osteerweiterung seines Konzerns nicht leicht unter einen Hut zu bringen ist: Eines möchte sich Baumschlager zusätzlich in einigen Jahren noch gönnen, einen österreichischen Meisterschaftslauf mit Tochter Lisa (15) auf dem Beifahrersitz zu fahren. Und da ist eines sicher. „Major Tom“ wird dabei als Ratgeber mit demselben „Feuer“ dabei sein, mit dem beide die schon länger angesagte „Wachablöse“ in der österreichischen Rallyeszene ignorieren.